S’ist irgend ein arger Bösewicht.
Doch was er verschuldet? Ich weiss es nicht.
Nur eines weiss ich: dass in der Welt
Er mächtig gewesen – und hochgestellt.
Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst war zeitlebens Stadtamman von Willisau. Will heissen, er übernahm dieses hohe Amt seinerzeit vom Vater und übergab es, als ihm die Zeit reif erschien, an den Sohn seiner Wahl.
Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst war ein sehr mächtiger Mann. Sein Einfluss in Politik und Wirtschaft war unermesslich. Aus diesem Grund meidete das gemeine Volk, wenn immer es ging, mit ihm in Kontakt zu treten. Man fürchtete sich vor ihm.
Ganz anders verhielt es sich bei den Handwerkern, den Wirten, bei Bäckern und Metzgern. Allesamt versuchten sie, sich bei ihm beliebt zu machen. Denn der gnädige Herr vergab die Aufträge ( … was für den wirtschaftlichen Erfolg jedes Gewerbetreibenden entscheidend war ! )
Soweit – so gut. Das alles war für die damalige Zeit normal. Überall gab es mächtige Herren, welche für Aufstieg und Fall der Menschen in ihrem Einflussbereich ein hartes Regime führten.
Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst nutzte seine Position schamlos aus. Kein Handel, wo er nicht mitverdiente. Er hatte stets seine „Provision“.
Bei jeder Handänderung (wenn eine Liegenschaft von einem Eigentümer auf den anderen wechselt) werden Gebühren erhoben. Das ist ja klar. Denn wer eine Obligation erklärt, muss diese auch beweisen können. So werden seit jeher Register geführt – das ist ja klar.
In seiner Eigenschaft als Stadtamman führte Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst höchst eigenmächtig. Es gab keinerlei Kontrolle. Also entschied er über die Gebühren, wie es ihm gefiel.
Oftmals konnten die Leute aber die Gebühren nicht entrichten. Also stellte der Stadtamman einen Schuldschein / eine Gült aus. Diese Gült wurde dann verzinst. Da wiederum kein Geld für Zinsen zur Verfügung stand, wurde der Zins in Naturalien entrichtet.
Nun gut. Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst genoss freies Wohnrecht im Schloss ob Willisau. Um den Lebensunterhalt brauchte er sich nicht weiter zu sorgen, da ihm seine Schuldner Lebensmittel, Brennholz sowie alles andere zum Leben notwendige brachten, wann immer er danach verlangte.
Darüber hinaus war er ein Finanz-Genie. Er hatte zahlreiche „Geldschränke“. Darin befanden sich wiederum zahlreiche Schatullen. Bei jeder Transaktion landeten die Gebühren und Abgaben in einer dieser Schränke; oder genauer: in einer jener Schatullen. Dabei achtete der Stadtamman tunlichst darauf, dass nicht einer seiner mühsam errungenen Beträge verloren ging. Zeitlebens versteuerte er nicht einen einzigen Heller an Vater Staat.
Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst war ein Jäger und Sammler. Bereits hatte er viele Liegenschaften erworben. Ganze Häuserzeilen gehörten ihm. So zählte er die Schaalgasse und die Spitelgasse zu seinem Eigentum. Doch seine Gier war unersättlich. Er wollte ständig mehr. Bereits hatte er einzelne Objekte an der Kirchgasse und am unteren Graben erworben. Danebst besass er unzählige Höfe, Scheunen, Gaststätten und andere Liegenschaften im Hinterland. Er war unvorstellbar reich.
Seine Herangehensweise war jeweils durchtrieben und raffiniert. Sein Vorteil war, dass er wusste, wer wo wem etwas schuldig war. Und was er nicht wusste, das brachte er in Erfahrung.
Die Liegenschaftsbesitzer indes versuchten natürlich, ihre Schulden, Schuldbriefe, Gülten und dergleichen, geheim zu behalten. Ihr Ziel war es, nicht einem einzigen Gläubiger gegenüberzustehen oder ausgeliefert zu sein. Dieses Ansinnen wurde jedoch von Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst durchkreuzt. Klammheimlich, still und leise erwarb er Schuldbriefe seiner Widersacher. Gerne war er bereit, dafür einen überhöhten Preis zu zahlen (welchen er natürlich bei einem späteren Handel, der nächsten sich bietenden Gelegenheit, wieder einstrich – versteht sich von selbst!)
Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst war keinesfalls ein gerechter, geschweige denn wohltätiger Vermieter. Der beste Tag, um eine Mietzinserhöhung durchzusetzen, war für ihn der Weihnachtstag. Gewöhnlich war es dann um diese Zeit besonders kalt; und die Leute hatten es sich gerade gemütlich gemacht. Da brauchte es gewöhnlich nicht viel Überzeugungskraft, um den Menschen zusätzliche Leistungen abzuverlangen.
Ab und an kam es vor, dass es Leute gab, die den Wucherzins einfach schlicht nicht bezahlen konnten. Gnadenlos stellte Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst diese Leute vor die Tür. Ihm war es egal (oder sogar recht?) dass diese Leute in der eisigen Kälte des Winters erfrieren würden.
Wer nun auf den Beistand der Kirche gehofft hatte, fand sich alsdann vor verschlossenen Türen. Denn auch der Pfarrhof mit all seinen Gärten gehörte natürlich, man hat es geahnt, Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst.
Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst hatte sich in seinem langen Leben ein schier unglaubliches Vermögen aufgebaut. Er hatte die Weisheit, seinen Reichtum an den von ihm auserwählten Sohn weiterzugeben. Die anderen Familienmitglieder gingen nahezu leer aus. Sie erhielten lediglich lebenslange „Bleiberechte“.
Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst starb, so schien es, im hohen Alter eines natürlichen Todes. Er wurde standesgemäss – mit viel Pomp und Trara – beerdigt. Wie ein heiliger wurde seine Grabstätte vor der Kirche errichtet; da, wo sonst nur Geistliche beigesetzt werden.
Doch es stellt sich die Frage: Was ist tatsächlich passiert? Warum musste sein Geist wandeln? Jahrzehntelang suchte er – oder vielmehr sein Geist - seine Liegenschaften auf, um nach dem Rechten zu schauen.
Der Mönch, der Guardian, welcher die Geister aus Willisau einsammelte, um diese im Enziloch zu verbannen, bekundete grosse Mühe, den Geist von Stadtamman Huldrich Gottfried Freiherr von Fürst einzufangen. Dieses, so beschwor er, war mit Abstand der schwierigste Fall. Unerklärlich. Seltsam.